Kommunikation ist der Grundstein einer funktionierenden Beziehung. Von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft sind wir der Meinung, mit unserem Partner über alles sprechen zu können. Die Realität sieht meistens anders aus. Sie können mit Ihrem Partner über sexuelle Wünsche sprechen? Damit gehören Sie zu einer absoluten Minderheit.
Tabuthema Sex
Der Mehrheit fällt es schwer, mit dem Partner über sexuelle Wünsche zu sprechen. Zu diesem Ergebnis kamen verschiedene Studien, darunter auch die „Simplified Sex“ Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut TNS Healthcare im Auftrag der Fraueninitiative „female affairs“ durchgeführt hat1.
Sexuelle Wünsche auszusprechen war demnach ein besonders widersprüchliches Thema. Die Hälfte der befragten Männer wünschte sich zwar „offen über Wünsche und Bedürfnisse sprechen“ zu können, gerade ein Drittel der Befragten tat dies tatsächlich.
Sexuelle Wünsche mitzuteilen ist wichtig für die Beziehung
Dabei gibt es kaum etwas, was sich mit ähnlich geringem Aufwand derart positiv auf die Beziehung auswirken kann. 86 Prozent der Befragten gaben an, dass das Mitteilen der eigenen Wünsche das Wohlbefinden steigert. Zudem sind sich 75 Prozent darüber einig, dass Gespräche über sexuelle Vorlieben ein Vertrauensbeweis ist. Zwei Drittel sind sich sicher, dass „sexuelle Wünsche einfach zu formulieren“ in einer funktionierenden Beziehung wichtig für die Qualität des Sex ist.
Warum fällt es uns also so schwer, über das Thema zu sprechen? 10 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben sogar an, dass sie sich gerne äußern würden – aber nicht trauen. Und lediglich 20 Prozent der befragten Männer gehen davon aus, dass ihre Partnerin offen über ihre Wünsche spricht. Ist es die Angst vor Zurückweisung, die uns die Sprache verschlägt? Oder sind es wohlmöglich schlechte Erfahrungen?
Nicht immer stoßen sexuelle Wünsche auf interessierte Ohren, denn manche Menschen wollen vielleicht gar nicht wissen, was für ausgefallene Wünsche ihr Partner hat.
„Oft steht hinter einem scheinbaren Desinteresse die Angst, den Wünschen des Partners nicht entsprechen zu können oder zu wollen.Durch ein Gespräch unüberwindbare Diskrepanzen in den sexuellen Wünschen festzustellen, würde zu einer empfundenen Distanz führen, der man ja gerade entgegenwirken wollte. Obwohl wir tagtäglich berieselt werden mit sexuellen Bildern auf Werbeplakaten und im Fernsehen, gehört ein ehrliches und offenes Gespräch über die eigene Sexualität mit dem Partner zu den intimsten Dingen in einer Beziehung.
Wer sich darauf einlässt, der vertraut auch ein Stück weit darauf, dass der Partner respekt- und liebevoll reagiert und in jedem Fall ein Gewinn für die Beziehung entsteht – sei es auch in Form eines kreativen Kompromisses was die Erfüllung konkreter Vorstellungen betrifft.“ weiß Beziehungsexpertin Dr. Wiebke Neberich.
Verschenktes Potential durch geheime Wünsche
Welche Konsequenzen das Schweigen im Bett hat, zeigt die „Theratalk“-Studie der Göttinger Georg-August-Universität. An der Studie beteiligten sich 2.330 heterosexuelle Paare, die detailliert über ihre eigenen sexuellen Wünsche befragt wurden und ebenso ausführlich angaben, welche sexuellen Wünsche des Partners sie eventuell erfüllen würden.
Das Ergebnis kann in drei Kategorien eingeteilt werden: Wünsche, die bereits erfüllt werden, Wünsche, die vom Partner erfüllt werden könnten und Wünsche, die der Partner nicht erfüllen würde.
Hier offenbarte sich das verschenkte Potential: Während 35 Prozent der Wünsche der männlichen Partner erfüllt werden, existieren weitere 36 Prozent, die ihre Partnerinnen erfüllen würden – aber nicht geäußert werden. Bei den Frauen sind es bei den Wünschen sogar 40 Prozent, die erfüllt werden könnten, gegenüber 44 Prozent, die bereits erfüllt werden.
Mit anderen Worten ausgedrückt: Etwa doppelt so viele sexuelle Wünsche könnten erfüllt werden, wenn die Paare anfangen würden, offen darüber zu sprechen. Das brächte nicht nur mehr Abwechslung in das Liebesleben, sondern würde auch aktiv vor der Verlockung eines Seitensprungs schützen.
Unerfüllte sexuelle Wünsche: Hauptgrund für den Seitensprung
Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des Göttinger Psychologen Ragnar Beer², der Männer und Frauen interviewte, die ihren Partner – nach eigenen Angaben – betrogen hatten. Erstaunlicherweise gaben 80 Prozent der Befragten an, ihren Partner durchaus zu lieben. An schwindenden Gefühlen soll es also nicht gelegen haben. Stattdessen geben genauso viele der untreu gewordenen an, dass sexuelle Unzufriedenheit der Auslöser für den Seitensprung war. 85 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer beschwerten sich bei ihrem Interviewpartner über den häuslichen Sex. Sie bekamen nicht das, was sie sich wünschten. Warum?
Lediglich 31 Prozent der untreuen Frauen und ein Viertel der Männer sprach mit dem Partner über sexuelle Wünsche. Auf der anderen Seite sah es noch trister aus. Nur 27 Prozent der betrogenen Männer und 14 Prozent der Frauen erzählten ihrem Partner, was ihnen im Bett gefallen würde. Nachdem der Seitensprung aufgeflogen war, wurde es jedoch nicht wesentlich besser.
Dabei will man eigentlich meinen, dass Paare in einer solchen Lage großen Wert darauf legen würden, ihre Probleme aus der Welt zu schaffen. Trotzdem verbesserte sich die Situation auf beiden Seiten nur geringfügig. Im Großen und Ganzen blieben weiterhin zwei Drittel der Paare stumm.
Angst vor Zurückweisung hemmt Gespräche über sexuelle Wünsche
Die größte Schwierigkeit in der Kommunikation liegt wohl darin, dass wir uns zu sehr schämen, um offen über sexuelle Wünsche reden zu können. “Die Unsicherheit darüber, wie der Partner reagieren wird, gepaart mit einer generellen Hemmschwelle, solch persönliche Details preiszugeben, führt dazu, dass viele Paare nicht über ihre Sexualität sprechen.“ erklärt Dr. Wiebke Neberich.
Das ist nicht verwunderlich, schließlich reden wir über den vielleicht intimsten Teil unserer Persönlichkeit. Solche Informationen lassen sich eben nicht so leichtfertig aussprechen, wie beispielsweise der Wunsch, im Sommer ans Meer zu fahren. Egal ob verbal oder auf dem Papier – wer versichert uns schließlich, dass dem Partner gefallen wird, was er von uns erfährt?
Schweigen oder das Thema ansprechen? Beziehungsexpertin Dr. Wiebke Neberich gibt jedem Paar folgenden Ratschlag: „Wenn die Beziehung eine gewisse emotionale Intimität erreicht hat, das heißt, wenn man davon ausgehen kann, dass der Partner verständnis – und respektvoll auf die Äußerung der eigenen Bedürfnisse eingeht, dann sollte man auch dem Thema Sexualität die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Für ein dauerhaft reizvolles Sexualleben kann man nämlich etwas tun: Den Partner einfach mit einbeziehen“.
Quellen:
1 Das Meinungsforschungsinstitut TNS Healthcare hat im Auftrag der Fraueninitiative „female affairs“ Daten von 1043 Männern zwischen 20 und 40 Jahren analysiert.
Quelle: Meinungsforschungsinstitut TNS Healthcare
http://www.tns-healthcare.de
2 Studienleiter und Psychologe Ragnar Beer der Göttinger Georg-August-Universität interviewte 2600 heterosexuelle Männer und Frauen, die ihren Partner nach eigenen Angaben betrogen hatten.
Quelle: Theratalk® Projekt am Insitut für Psychologie der Universität Göttingen
http://www.theratalk.de