Die Lebensform der Patchworkfamilie ist längst keine Besonderheit mehr. Welche Schwierigkeiten aber auch Chancen aus dem Patchworkalltag erwachsen, erklärt Katharina Grünewald.
Frau Grünewald, könnten Sie sich und Ihre Arbeit kurz vorstellen?
Ich berate in meiner Praxis in Köln Patchworkfamilien und klassische Familien in Einzel- und Paargesprächen und in Gruppen. Dabei steht die aktuelle Situation im Mittelpunkt und gemeinsam mit den (Stief-)Eltern wird versucht, diese zu verstehen. Oftmals sind die Konflikte, der Stress oder der Teufelskreis, in den man geraten ist, ja schon ein Lösungsversuch. Nur, wofür? Mein Leitsatz ist daher: Wer versteht, kann handeln!
Wie definieren Sie den Begriff „Patchworkfamilie“?
Unter dem Begriff ‚Patchworkfamilie‘ verstehe ich eine psychologische Konstruktion. Wenn ein Liebespaar sich zusammentut und einer der beiden oder beide bereits Kinder haben, besteht eine Patchworkkonstruktion, egal, ob man zusammenwohnt, sich erst gerade kennengelernt hat oder die Kinder nur alle zwei Wochen kommen.
Mit welchen Belastungen hat diese Familienform zu kämpfen?
Es sind die gleichen Belastungen, wie sie in allen Familien vorherrschen. Nur sind sie in einer Patchworkkonstruktion potenziert. Oftmals muss an einem Wochenende Verbundenheit, Zerrissenheit, Neid, Eifersucht, Trotz, Liebe, Wut und Trauer gleichzeitig gelebt werden, da kann es schon mal zu Explosionen kommen.
Welche Chancen bietet die Patchworkfamilie?
Die Patchworkfamilie bietet, wenn man so will, die beruflichen Schlüsselqualifikationen der Zukunft: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, da man sich je nach Situation auf Großfamilie, Kleinfamilie, Paardasein oder Singleleben einlassen muss. Kinder nehmen entsprechend eine Vielfalt von Rollen ein: Einzelkind, je nach Familie unterschiedliche Geschwisterpositionen, mal mit einer Mutter, die sehr ‚gluckenhaft‘ ist, mal mit einer Mutter, die nur ihre Ruhe haben will, mal mit Geschwistern, die nerven usw.
Zudem lernt man in der Patchworkfamilie zwangsläufig seine eigenen Grenzen kennen und durchzusetzen. Das geht nur, wenn man lernt mit Konflikten und Grenzen anderer umzugehen.
Wie funktioniert der Alltag mit den neuartigen Beziehungsgefügen?
Wichtig im neuen Alltag sind Verlässlichkeiten und Transparenz. Wenn ein Kind sowohl die Regeln von Fußball als auch von Volleyball kennt, kann es innerhalb von Minuten von einem Feld zum anderen wechseln und auch mitspielen. Kennt es die Regeln nicht oder ist kein Verlaß auf die Mitspieler, wird es umgerannt. So ist es auch mit den zwei ‚Welten‘ der Kinder. Rituale, Regeln und verlässliche Verabredungen geben Sicherheit.
Wie können Eltern Konkurrenzkampf und Streitereien der Kinder begegnen?
Indem die Eltern den Kindern klar machen, dass es nun mal so ist, dass die Kinder nun miteinander auskommen müssen. Sie müssen nicht Freunde werden. Wenn nicht wirklich gravierende Störungen bestehen, kommen die Kinder besser alleine klar. Oftmals beziehen Eltern ihre eigenen Konkurrenzgedanken oder Zweifel am Partner auf die Kinderstreitereien und instrumentalisieren somit unbewusst die Kinder.
Wie geht man mit dem Ex-Mann, der Ex-Frau des Partners um?
Die erste Ehe des Partners/der Partnerin ist die Baustelle des Partners/der Partnerin. Als neue Partnerin/neuer Partner sollte man tunlichst die Finger davon lassen und diese nicht zur eigenen Baustelle werden lassen. Oftmals werden durch Streitereien mit der Exfrau/dem Exmann eigene Beziehungsschwierigkeiten in der neuen Partnerschaft verdeckt.
Wenn Sie weitere Information über Katharina Grünewald und ihre Arbeit erhalten möchten, schreiben Sie eine Nachricht an Katharina Grünewald [email protected] oder besuchen Sie ihre Homepage www.patchworkfamilien.com.